glücksritter/-innen – portraitierte irrationalität (2019)


In einer Gesellschaft, deren Funktionieren darauf beruht, Unsicherheiten und damit verbundene Risiken zu minimieren, um derart Kontrolle über die größtmögliche Anzahl von Prozessen und Handlungen zu erlangen, wird auch von den einzelnen Gesellschaftsmitgliedern verlangt, ihr Leben nicht dem Zufall zu überlassen.

Seines eigenen Glückes Schmied zu sein lautet der sprichwörtliche Rat, der dazu auffordert, aber auch unterstellt, dass jeder Mensch aus sich heraus mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht nur für sein Wohlergehen sorgen solle, sondern auch könne.

Die Verwendung des Begriffs des Glücks in diesem Kontext aber vermag, wenn nicht die Idee des Sprichworts bereits ad absurdum zu führen, so doch zumindest Verwirrung zu stiften. Denn ist es nicht eben genau jenes Glück, auf welches der in seinem Selbstverständnis aufgeklärte, rationale Mensch in der modernen Gesellschaft nicht mehr vertrauen möchte?! Geht es ihm nicht vielmehr darum, dieses unberechenbare und somit unkontrollierbare Glück aus seinem Leben gänzlich zu verbannen und statt seiner Wahrscheinlich- und Gesetzlichkeiten walten zu lassen?!

Auf sein Glück zu vertrauen würde schließlich bedeuten, keine Kontrolle mehr zu besitzen, keine Sicherheit, nicht mehr länger planen und somit effizient und verantwortungsvoll handeln zu können, sondern äußeren Umständen, unbekannten Variablen, schicksalhaft ausgeliefert zu sein, machtlos und abhängig zu werden. Ein Lebensprinzip, welches der gesellschaftlichen Maxime einer auf Planbarkeit und Effizienz gründenden und in diesem Sinne rationalen und selbstbestimmten Lebensführung als Irrationales diametral gegenübersteht.

Um so bemerkenswerter erscheint daher ein kollektiver Ausbruch in die Irrationalität.

Ein Phänomen, welches in einer Gesellschaft, die auf existenzielle Art und Weise von der Rationalität des Handelns ihrer Mitglieder abhängt, auf Grund der Häufigkeit seines Auftretens, seiner gesellschaftlichen Reichweite und des spezifischen Charakters seiner Irrationalität, so faszinierend wie schockierend wirkt.

Wenn also jede Woche Millionen Menschen Millionen Euros in die Hand nehmen, um sich von einer Rationalität zu verabschieden, deren Logik Tag für Tag ihr Leben bestimmt und welche als vernünftig beurteilt wird, wirft dies Fragen auf. Insbesondere dann, wenn die diesem Phänomen zugrunde liegende Irrationalität der Handlung von den Handelnden selbst als solche begriffen und bewusst erlebt wird, die Handlung aber ungeachtet dessen vollzogen und im wahrsten Sinne des Wortes in Kauf genommen wird.

Die Kommunizierbarkeit der Handlung im sozialen Umfeld, seine gesellschaftliche Akzeptanz, ermöglicht einen scham- und angstbefreiten Umgang. Es besteht keine Notwendigkeit, über die Handlung Stillschweigen zu bewahren, um derart unerwünschten Reaktionen bzw. gesellschaftlichen Sanktionen vorzubeugen. Alle können sorglos über ihr irrationales Handeln in der Öffentlichkeit sprechen.

Seine endgültige Legitimität erhält dieser Ausbruch in die Irrationalität dadurch, dass ausgerechnet die gesellschaftliche Instanz, die als Inbegriff von Rationalität gilt, denselben nicht nur toleriert, sondern ironischerweise für sich auch als Einnahmequelle entdeckt hat und profitabel zu organisieren pflegt.


glücksritter/-innen



glücksritter/-innen 1-2

mixed media on paper

2 x 21 cm x 15 cm



glücksritter/-innen 3-4

mixed media on paper

2 x 21 cm x 15 cm



glücksritter/-innen 5-6

mixed media on paper

2 x 21 cm x 15 cm



jackpotritter/-innen



jackpotritter/-innen 1-3

mixed media on paper

3 x 29,7 cm x 21 cm











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